Kategorie-Archiv: Review

Jahresrückblick 2022

Und schon wieder ist ein Jahr verstrichen – krass, wie schnell die Zeit vergeht. 2012 habe ich das erste mal auf das Jahr zurückgeblickt und so ist dies nun der zehnte Beitrag dieser Art: Jubiläum!

Beginnen wir mit der üblichen Gliederung:

  • Technisches,
  • Künstlerisches und
  • Persönliches

Technisches:

Letztes Jahr hatte ich ja berichtet, dass mich das APO Summicron 35 mm umgehauen hat. In diesem Jahr konnte ich es das erste mal in den Händen halten und es ausgiebig testen. Wow, was für ein perfektes und herausragendes Objektiv. Dazu gibt es inzwischen auch andere Berichte im Netz – ein sehr schöner findet sich hier. Durch den Besuch bei Leica in Wetzlar im Herbst mache ich mir auch viele Gedanken zu meiner M 240 und einem ev. Update auf die M11. Die M11 ist toll, aber einige wenige Dinge stören mich – ich wurde z. B. mit der Lackierung nicht wirklich warm und hoffe, dass eine M11-P eine andere „Haut“ haben wird. Alles andere finde ich fast anstandslos großartig. In 2022 habe ich auch relativ viel auf Objektive anderer Hersteller geschaut – habe die Zeiss und die Voigtländer Teile studiert und finde einiges spannend. Am Ende bin ich aber vom APO 35er hypnotisiert. Inzwischen stehe ich ja für dieses Objektiv auf der Warteliste bei Leica (in Konstanz) und rechne eigentlich im Frühjahr 2023 mit einem Anruf, dass ich mich entscheiden muss – ob ich es dann wirklich kaufe, lasse ich mal noch offen.

Was mich sehr fasziniert, ist das Erstarken der analogen Fotografie. Einen Trend nach oben hat man ja bereits in den letzten Jahren beobachten können; in 2022 gab es aber meiner Meinung nach einen kleinen Boom. Klar, die Verkaufszahlen sind marginal und es ist eine sehr kleine Nische, aber tot ist die analoge Fotografie wohl noch lange nicht. Leica hat die M6 neu aufgelegt – und das erstaunt mich, denn eigentlich hat Leica eine analoge Linie und die M6 passt von der Nomenklatur nicht wirklich rein. Trotzdem ist es schön zu sehen, wie sich Leica hier noch einmal klarer (neu?) positioniert und diese kleine aber feine Nische bedient. Für mich ist diese Nische aber nichts – wenn schon analog, dann lieber Polas und die ganze Unsicherheit des Fix-Verfahrens 🙂

Künstlerisches:

Dieses Jahr habe ich weniger Bücher studiert, sondern viele Bilder im Netz angesehen. Als besonders schöner Anlaufpunkt dient mir dabei immer der Leica Blog. Da lässt sich wunderbar stöbern und lesen – eine wahre Fundquelle der Inspiration. Etwas näher beschäftigt habe ich mich dann in den letzten Tagen des Jahres mit Mario Giacomelli. Ein sehr spannender italienischer Fotograf – ein Blick lohnt sich. Und natürlich verfolge ich weiterhin Julia Baier – sie gehört inzwischen zu meinen absoluten Lieblingsfotografinnen.

Persönliches:

2022 war ein schwieriges Jahr. Es war einfach zu viel los und ich fühle mich am Ende gehetzt und etwas ruhelos. Trotzdem habe ich es geschafft irgendwie deutlich mehr zu fotografieren und auch hier im Blog mehr zu schreiben. Bis vor kurzem war dies ein subjektives Gefühl (was Gefühle ja wohl immer sind!) – ich habe jetzt aber mal alle Beiträge der Jahre 2010 bis 2022 ausgewertet und siehe da! 2022 wurden mit diesem Beitrag ganze 39 Texte verfasst (ohne Kommentare). Mehr habe ich in den Jahren 2011 (77), 2013 (40), 2014 (43) und 2015 (48) geschrieben. Der Tiefpunkt war übrigens 2019 mit nur 10 Beiträgen! Jetzt soll man nicht alles in Zahlen kleiden und die Anzahl der Beiträge ist ja kein Maß für den Spaß den ich an der Sache habe(n) (sollte). Der Spaß stellt sich aber eben wirklich wieder ein – und ich hoffe das merkt man meinen Texten hier an.

Was erwartet mich in 2023? Auch im kommenden Jahr wird viel los sein. Mein festes Ziel ist es aber meine Kamera auf Dienstreisen mitzunehmen und vielleicht schaffe ich es ja vor oder nach den beruflichen Dingen auch mal ein wenig um die Ecken zu ziehen und ein paar spannende Dinge abzulichten. Ein Jahresvorsatz ist damit auch gefasst!

Und hier die alten Jahresrückblicke.

Auf ein gutes Jahr!

Euer Alex

Wenn Männer zu Frauen werden – Die Oberwerth Bayreuth

Männer und Taschen!? Eigentlich nicht unbedingt eine Kombination, mit der man im normalen Leben oft konfrontiert ist. Eine kleine Ausnahme stellt wohl die Fotoszene dar. Fotografen und ihre Taschen (oder Rucksäcke) bilden wohl eine der größten Hasslieben der Geschichte. Durchsucht man das Netz, so kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass viele Fotografen eine Kamera nur deshalb besitzen, um eine Rechtfertigung zu haben, sich eine schicke Fototasche kaufen zu müssen. Stoff, synthetische Materialien oder ganz puristisch aus Leder!? Was darf es denn sein? Groß, klein, lang, hoch, breit – natürlich muss möglichst viel möglichst flexibel in das gute Ding passen. Und so finden sich ganze Lebensgeschichten von Menschen auf der Suche nach der perfekten Fototasche.

In meinem Fotoleben hatte ich bis jetzt 4 Taschen bzw. Rucksäcke, wovon ich 2 aktuell noch verwende. Begonnen habe ich mit einer Tamrac Fototasche, gefolgt von einem Lowepro Fotorucksack. Aktuell besitze ich einen Lowepro Foto Sport und eine Billingham Hadley Small. Diese zwei führen mich nun bereits seit Jahren sehr zufrieden durch meinen fotografischen Alltag. Aber trotzdem habe ich seit einem Jahr zunehmend das Bedürfnis, nur Kamera und Objektiv schnell mal über die Schulter zu werfen und loszuziehen. Es fehlte mir also noch eine kleine Tasche, welche so klein ist, dass ich sie auch auf Geschäftsreisen mitnehmen kann – unauffällig und natürlich hübsch. Auf der Photokina 2014 hatte ich ein langes Gespräch am Stand von Oberwerth und irgendwie bekam ich diese Firma nicht mehr aus meinem Kopf. Bereits damals hatte ich den ersten Prototypen einer sehr kleinen Fototasche in meinen Händen halten dürfen – wertig, schön, aber sehr teuer! Die Jahre zogen ins Land, mein Wunsch nach einer kleinen Fototasche wurde größer, ich studierte und verglich. Näher angesehen habe ich mir die ONA Bond Street und die DoTheBag Mono 15. Beide waren aber nicht ideal: die ONA etwas zu groß und der Verschluss unpraktisch, die Mono nicht nach meinem Geschmack geschnitten. Blieb also die Oberwerth!? Bei Foto Löffler in Freiburg sah ich mir einige Oberwerth Taschen an, studierte auf der Webseite die Maße und die Fertigung und hatte zudem auch Kontakt mit Jörg (Taschenfreak). Ich war überzeugt: Das ist meine Tasche! – und entschied mich für die Version aus Vollleder in Dunkelbraun. Nur leider … die Tasche wird/wurde in dieser Version nicht mehr hergestellt. Ich versuchte also noch ein lagerndes Exemplar irgendwo in der hintersten Ecke eines Shops zu finden und kontaktierte dazu zahlreiche Händler – vergebens! Ausverkauft! Meine letzte Hoffnung war der direkte Kontakt zu Oberwerth. Und siehe da, schnell und sehr kompetent bekam ich die Auskunft, dass die Tasche in Kürze wieder hergestellt wird! Also nichts wie rauf auf die Warteliste! Das Warten war zudem auch sehr kurz, denn nach nur 3 Wochen traf die kleine Oberwerth am Donnerstag ein.

Bereits beim Auspacken wird klar, welche unglaubliche Qualität hier geliefert wird. Die Tasche fühlt sich extrem wertig an, das Leder ist weich und trotzdem stabil und die Verarbeitung ein Traum. Alle Nähte sind sehr schön und sauber ausgeführt – Handfertigung mit viel Liebe zum Detail. Auf den ersten Blick war ich von der Farbe des Leders etwas überrascht – das Braun geht fast ein wenig ins Rötliche, sieht aber hübsch und sehr elegant aus.

Unglaublich gelungen finde ich den Gurt. Ausgestattet mit einem eingenähten Stahlseil vermindert er das schnelle Durchtrennen des Gurtes – ein sehr guter Schutz gegen Diebstahl. Das Schulterpolster ist rutschfest ausgeführt und liegt perfekt auf dem Körper an. Die Länge des Gurtes ist für mich (180 cm bei 70 kg) ausreichend, auch um die Tasche quer über den Oberkörper tragen zu können.

Die Größe der Tasche ist für die Leica M ideal – Kamera und angesetztes 50er Lux passen locker in die Tasche. Der freie Raum kann sogar für ein weiteres Objektiv genutzt werden (vielleicht etwas knapp) oder für zusätzliche Dinge. An den inneren Rändern sind zwei Taschen vernäht. In die größere (im Bild an der oberen Kante zu erkennen) passt der Akku der M, in die kleinere passt eine Speicherkarte. Die Taschen sind zwar nett, werden von mir aber nicht wirklich benutzt werden – lieber nutze ich den freien Raum vor der Kamera.

Ein schönes Detail ist, dass die Laschen an der Oberseite der Tasche durch entsprechende Klettverschlüsse nach innen fixiert werden können. Diese Details zeigen mir, dass dies eine Tasche ist, welche bis ins letzte überlegt ist.

Und wie trägt sich die Kleine? Hervorragend! Sowohl über der Schulter, als auch quer über den Oberkörper verteilt sie das Gewicht perfekt. Der Verschluss der Tasche ist genial, lässt sich schnell und nahezu lautlos öffnen und schließen. Die Kamera lässt sich schnell und sehr angenehm aus der Tasche nehmen und auch wieder verstauen.

Noch ist es sicher zu früh, um ein Gesamturteil zu fällen, ich kann aber bereits jetzt sagen, dass die kleine Oberwerth Bayreuth einfach nur Spaß macht. Wer eine kleine und sehr gut verarbeitete Tasche für seine Leica M sucht, sollte sich diese Tasche näher ansehen. Auch lohnt sich ein Blick auf die anderen Tasche der Firma Oberwerth.

Update [07.06.2017]:

Oberwerth hat den Artiekl gerade auch bei Facebook veröffentlicht. Danke!

Euer Alex

Fotorucksack – Entscheidung und erster Erfahrungsbericht (Trockenübung)

Männer und Fototaschen bzw. Fotorucksäcke, das ist so wie Frauen und Schuhe. Und (leider) bilden weder ich noch meine Frau eine Ausnahme von dieser Regel. Eigentlich bin ich mit meiner Billingham Tasche sehr zufrieden. Speziell auf Wanderungen hatte ich in der Vergangenheit immer mal das Bedürfnis, neben meiner Kamera und einem Objektiv auch eine Jacke und ein wenig Knabberzeug mitzunehmen. Daher sollte nun, neben der Billigham Tasche, die auch weiterhin das Standardtransportmittel bleiben wird, ein kleinerer Fotorucksack angeschafft werden. Da auch solche kleineren Anschaffungen bei mir in einen monatelangen Rechercheprozess ausarten, will ich euch die Erkenntnisse und Ergebnisse nicht vorenthalten. Dieser Beitrag soll also davon berichten – wie immer aus meiner sehr persönlichen und subjektiven Sicht.

Was suchte ich? Der Fotorucksack sollte Platz für meine Leica M und ein weiteres Objektiv bieten. Wichtig dabei war mir, dass dieses „Fotofach“ ausreichend stabil und sicher ist und Schutz gegen schnellen Zugriff von außen bildet. Zudem wollte ich ein Rucksackfach in der Größe von ca. 12 bis 15 Liter haben (heute meist als „Daypack“ bezeichnet). Zudem wollte ich ein paar Nebenfächer, um Schlüssel, Trinken, etc. unterbringen zu können. Schlussendlich wollte ich kein Schwergewicht, sondern einen möglichst leichten Rucksack (meine Vorstellung war ein max. Gewicht von ca. 1,5 kg).

Wie immer begann ich meine Recherche im Internet (natürlich war mir mein alter Kumpel Rob mit Links, Tipps, Hinweisen behilflich – danke nochmals dafür! Neben den bekannten Seiten ist auch diese Seite hier ein echter Tipp). Ich konnte meine Suche dann relativ schnell auf drei Modelle von drei unterschiedlichen Herstellern eingrenzen:

Preislich befinden sich alle drei Rucksäcke im gleichen Segment – je nach Anbieter und Zwischenhändler muss man zwischen 130 und 190 € ausgeben, was für einen hochwertig verarbeiteten Rucksack völlig in Ordnung ist.

Kurz zu ein paar Eigenheiten der drei Rucksäcke:

  • F-Stop koppelt Rucksack und Fotofach völlig voneinander ab, sodass man die Rucksäcke mit unterschiedlichen Fotofächern (sog. Internal Camera Units, ICUs) ausstatten kann. Dies hat den Vorteil, dass man die ICU inkl. der kompletten Fotoausrüstung aus dem Rucksack nehmen und anderweitig verstauen kann. Die ICU ist über einen eigenen Zugang von außen erreichbar, im Falle des F-Stop Guru vom Rückenbereich des Rucksacks. Und genau da sind wir beim Hauptpunkt, der mir missfällt: Um die Fotoausrüstung zu erreichen, muss der Rucksack ganz abgenommen werden oder zumindest so gedreht werden, dass der Rückenbereich zugänglich wird. Da ich jemand bin, der sehr schnell an seine Ausrüstung kommen will, war dies die Disqualifikation. Zudem war der Rucksack mit insgesamt 28 Litern für mich und meine Ausrüstung doch etwas zu groß.
  • Evoc kommt aus der Radszene und hat unglaublich viel Erfahrung in der Konstruktion von stabilen und langlebigen Rucksäcken. Der Evoc Photo Scout stellt den kleinsten Rucksack von Evoc dar. Das Fotofach ist fest verbaut und von der Seite zugänglich, was mir sehr gut gefiel. Tragekomfort wurde allerseits gelobt und mit 18 Litern hatte der Rucksack genau die richtige Größe. Nachteil ist jedoch, dass das Fotoabteil einen Anteil von 40% am Gesamtvolumen hat – darin würde sich meine kleine Leica M mit Sicherheit verlieren. Zudem war der Rucksack mit 1,8 kg doch sehr schwer. In Summe also nicht ideal für meine Ansprüche.
  • Der Lowepro Photo Sport 200 AW stellt schließlich den besten Kompromiss dar. Er ist mit 1,3 kg der leichteste und mit 17 Liter auch gleichzeitig der kleinste der drei. Auffällig ist, dass der Rucksack wesentlich schmäler gebaut ist, was meiner schmalen Körperform sehr entgegen kommt. Das Fotofach ist fest verbaut und von der Seite zugänglich. Zusatzfächer gibt es für Trinken, Kleidung, etc. Er besteht zu 100% aus Polyamid, ein extrem leichtes, aber riss-beständiges Material, das ich bereits von anderen Wanderrucksäcken bestens kenne. Eine zusätzliche Regenschutzhülle ist fest am Unterboden verbaut und kann schnell und einfach über den gesamten Rucksack gezogen werden.

Fotorucksack Lowepro Photo Sport 200 AW.

Fotorucksack Lowepro Photo Sport 200 AW.

Nun aber zum eigentlichen Fotofach. Dieses ist extrem klein und für so manche DSLR-Besitzer mit Sicherheit zu klein. Für eine Leica M aber genau richtig, sodass die Kamera einigermaßen satt sitzt. Leider hat Lowepro nur eine einzige Unterteilung mitgeliefert, was für mich eindeutig zu wenig ist. Also habe ich mir die überschüssigen Billigham Unterteiler geschnappt und in den Rucksack „eingesetzt“. Dies dient mir vor allem auch dazu, die Kamera im Fach etwas zu stabilisieren. Insgesamt muss gesagt werden, dass das Fotofach etwas mehr an Stabilität vertragen würde, was mit Sicherheit dann aber auf Kosten des Gewichts gehen würde. Mit etwas Geschick und ein paar zusätzlichen Unterteilern kann man sich das Fach aber ausreichend stabil machen.

Nachfolgend ein paar Bilder zur Illustration (sind nicht als hochqualitative Produktfotos gedacht, sondern sollen einen realen Eindruck vom Rucksack wiedergeben).

Links: Rucksack voll geöffnet (Daypack und Fotofach). Rechts: Fotofach.

Links: Rucksack voll geöffnet (Daypack und Fotofach). Rechts: Fotofach.

Das Fotofach des Lowepro Photo Sport 200 AW nimmt die Leica M mit angesetztem Summilux-M 50 mm und ein Summicron 35 mm inkl. Schutzköcher problemlos auf.

Das Fotofach des Lowepro Photo Sport 200 AW nimmt die Leica M mit angesetztem Summilux-M 50 mm und ein Summicron-M 35 mm inkl. Schutzköcher problemlos auf.

Insgesamt kann ich sagen, dass mich der Rucksack in der ersten „Trockenübung“ voll überzeugt. Letztendlich muss er sich aber vor allem gut tragen und im Einsatz praktisch sein. Einen diesbezüglichen Erfahrungsbericht liefere ich im Sommer nach.

LiK

Objektiv betrachtet!

Viel zu oft geht es in Gesprächen zwischen Fotografen nur um die Kamera. Wie viele Megapixel, kürzeste Verschlusszeit, etc. Die Kamera trägt zum eigentlichen Bild aber nur sehr wenig bei. Sehr viel wichtiger (neben dem Fotografen und seinen Ideen!) ist das verwendete Objektiv. Das Objektiv bestimmt, wie das Sujet abgebildet wird – Brennweite, Blende, Rendering, … haben erheblichen Einfluss auf das Bild. Das Objektiv bzw. die verwendete Brennweite beeinflusst aber auch das „Sehen“ des Fotografen und seine Wahrnehmung und Empfindung. Zeit also, einen Blick auf meine persönliche Sicht der Dinge zu werfen.

Der Fotograf und die Brennweite – die Geschichte einer Hassliebe!

Tatsächlich hat die Brennweite einen ganz erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung des jeweiligen Fotografen. Beginnen wir beim Grundlegenden: bei der Kombination von Objektiv und Kamera. Bei Verwendung einer Spiegelreflex blickt der Fotograf durch das Objektiv auf sein Sujet. Er sieht also genau den Ausschnitt, den auch seine Kamera sieht – dies birgt Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist ganz sicher, dass man die Bildkomposition sehr exakt vornehmen kann; man weiß bereits vor dem Auslösen, was einen erwartet. Der Nachteil ist aber, dass die Wahrnehmung auch dementsprechend beeinflusst wird. Die „neutrale“ Sicht auf das Sujet ist praktisch nicht vorhanden. Bei einer Messsucherkamera (wie der Leica M) blickt der Fotograf nicht durch das Objektiv, sondern durch ein kleines Fensterchen auf das Sujet – der Blick bleibt unverfälscht, die Komposition kann aber nicht ganz so exakt vorgenommen werden. Geht es bei einer Messsucherkamera also mehr darum, „seinen“ Bildausschnitt zu finden, finden Spiegelreflexbenutzer eine ganze Reihe an Parametern, die bereits durch den Blick durch das Objektiv beobachtbar werden (z. B. Schärfentiefe). Diesbezüglich gibt es aber kein „Besser“ oder „Schlechter“ – unterschiedliche Systeme für unterschiedliche Fotografen. Jeder muss für sich selbst entscheiden; für mich stellt (inzwischen) der unverfälschte Blick auf die Umgebung eine Eigenschaft dar, die ich nicht mehr missen möchte.

Erwähnt muss an dieser Stelle auch werden, dass sich die Brennweitenangaben in diesem Beitrag immer auf das Kleinbildformat beziehen, also auf eine Film- bzw. Sensorfläche von 24 x 36 mm. Und bitte sprecht in diesem Zusammenhang nicht von Vollformat (Full Frame)! Was ist schon Vollformat? In der Mittelformatfotografie bedeutet Vollformat eine sehr viel größere Fläche als im Kleinbildformat. Zudem sollten wir uns von dieser leidlichen Diskussion über „Formate“ verabschieden.

Generell ist die Kombination aus Brennweite und Blende prägend für das Bild. Auf technische Details möchte ich hier nicht eingehen, diese können in Lehrbüchern nachgelesen werden. Beachtet sollte aber werden, dass eine größere Brennweite den Raum in Blickrichtung verdichtet, eine entsprechende kürzere Brennweite den Raum „weiter/größer“ erscheinen lässt. Eine Blende von f/4.0 sorgt bei 50 mm für eine sehr viel geringere Schärfentiefe als bei 35 mm. Ich denke dies ist allen Lesern hier klar.

Daraus ergibt sich also die Notwendigkeit der Objektivwahl nach Stil und Inhalt der umzusetzenden Szene. Es gibt einige Regeln, die man in Lehrbüchern findet, z. B. kein Portrait mit Brennweiten unter 50 mm zu fotografieren. Vergessen wir diese stumpfsinnigen Einschränkungen der Kreativität ganz schnell wieder! Jede Brennweite kann (und sollte!) für jede Szene eingesetzt werden. Gerade die ungewöhnlichen Lösungen führen manchmal zu den außergewöhnlichsten Bildern.

Portrait mit 35 mm und bei stark seitlich einfallenden Licht. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ f/2.0.

Portrait mit 35 mm und bei stark seitlich einfallendem Licht. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ f/2.0.

Was beschreibt nun aber ein Objektiv und seine „Qualität“?

Die wichtigsten Parameter für die Beschreibung eines Objektives sind natürlich:

  • Brennweite, und
  • Lichtstärke

Etwas Verwirrung gibt es heute durch neue Formate, wie oben angedeutet. Hilfreich ist es dabei, wenn die Brennweite immer auf das Kleinbildformat bezogen wird, sodass sie auch vergleichbar und greifbar wird.

Die optische Qualität der Objektive wird heute üblicherweise mit der Schärfe beschrieben, was eigentlich völliger Unfug ist. Die gemessene Schärfe eines Objektives sagt nur sehr selten etwas über die visuell wahrgenommene Schärfe aus. Das menschliche Auge reagiert sehr viel stärker auf Kontraste. Daher ist der abbildbare lokale Kontrast für ein Objektiv ein sehr viel repräsentativerer Wert. Beschrieben wird diese Abbildungsleistung bei vielen Herstellern heute mit den sog. MTF-Kurven. Die Modulationsübertragungsfunktion (auch Modulationstransferfunktion (MTF, engl. Modulation Transfer Function) ist die mathematische Beschreibung des Vergleiches zwischen dem Detailkontrast an Kanten eines Objektes und dem Detailkontrast dessen bildlicher Darstellung. Mehr über MTF-Kurven finden sich umfangreich im Internet.

Ein Merkmal, das leider bei der Beurteilung von Objektiven allzu oft außer Acht gelassen wird, ist das Bokeh, also die Art der Abbildung des Unschärfebereichs. Gerade wenn man gerne mit offener Blende arbeitet und dadurch große Bereiche des Bildes ins Unscharfe gleiten lässt, ist die Abbildung dieser Unschärfe von großer Wichtigkeit. Unterschiedliche Objektivbauarten bilden die Unschärfe völlig verschieden ab und letztlich ist es der eigene Geschmack, der darüber entscheidet, ob es gefällt oder nicht. Ich bin ein großer Fan möglichst sanfter Übergänge und eines möglichst weichen Bokehs. Andere lieben hingegen unruhige Bokehs bis hin zu ringförmigen Ausprägungen.

Weit offene Blende für minimale Schärfentiefe. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ f/1.4.

Weit offene Blende für minimale Schärfentiefe. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ f/1.4.

Wenn man sich für ein Objektiv entscheidet, sollte man ein weiteres Kriterium zur Beurteilung heranziehen: die Bauform, Größe und Masse. Die wahre Kunst des Objektivbaus liegt nämlich in der Erreichung höchster Abbildungsstärke (nach den oben formulierten Kriterien) mit möglichst wenigen Linsenelementen bzw. Baugruppen und die damit einhergehende kompakte Bauform. Ich finde es nämlich mehr als fraglich, wenn Hersteller ihre Objektive mit der außergewöhnlichen Abbildungsleistung bewerben, auf der anderen Seite dafür aber oft über 12 Linsenelemente brauchen und eine Baugröße erreichen, die in Volumen und Masse so manche Kamera bei weitem übertrifft. Was hilft es, ein gut abbildendes Objektiv zu haben, wenn der Transport zu einer Herausforderung wird. Große Bauformen gehen auch mit großen Frontlinsendurchmessern einher, was große und teure Filter bzw. Filterlösungen nach sich zieht.

Daher sieht mein ganz persönliches Kochrezept für den Kauf eines Objektives folgendermaßen aus:

1. Schritt: Frage dich, ob du ein zusätzliches Objektiv wirklich brauchst und frage dich, was du mit dem Objektiv vornehmlich fotografieren möchtest bzw. anders machen würdest, als mit deinen bestehenden Objektiven.

2. Schritt: Frage dich, welche Brennweite deine bestehende(n) Brennweite(n) am besten nach unten oder oben ergänzt. Lasse mindestens die Hälfte der Brennweite, von der du ausgehst, als Lücke. Von einem 50 mm startend also mindestens 25 mm (=50 / 2) nach unten und oben (daher als Ergänzung ein 35 mm oder ein 75 mm).

3. Schritt: Mache eine Aufstellung an Objektiven (mit der Wunschbrennweite), die es für dein Kamerasystem gibt. Lass dabei auch Fremdhersteller wie Voigtländer, Zeiss, etc. nicht außen vor.

4. Schritt: Suche nach Aufnahmen, welche mit deiner Kamera und den Wunschobjektiven gemacht wurden. Analysiere die Abbildungscharakteristika wie Kontrast, Bokeh, etc.

5. Schritt: Entscheide auf Basis von Abbildungsleistung (bitte keine Testberichte studieren, sondern die realen Bilder aus Schritt 4 beurteilen!), Gewicht, und letztlich Preis. Und beachte: Nicht immer muss es das hochpreisige lichtstarke Objektiv sein!

Allgemein kann ich nur empfehlen, den Weg Richtung Festbrennweiten zu gehen. Das erhöht zwar den Aufwand beim Fotografieren, schränkt einen mitunter ein, lässt einen aber auch ganz neue Dinge entdecken (man ist einfach gezwungen, seine Blickrichtung und den Abstand zum Sujet zu variieren, was mitunter sehr inspirierend sein kann).

Bokeh, Bokeh, Bokeh, …

Für die Brennweite 35 mm will ich ein Beispiel anführen, um das oben Geschriebene etwas besser zu verdeutlichen. Sehen wir uns mal zwei aktuelle Objektive von Leica etwas genauer an. Bild 1 zeigt eine Testaufnahme mit dem Leica Summilux-M 1:1.4/35 mm ASPH. FLE – das derzeitige top-of-the-line Objektiv für diese Brennweite. Bild 2 zeigt das Leica Summicron-M 1:2/35 mm ASPH. Preislich liegen zwischen den beiden Objektiven ca. 2.000.-€. Beide Aufnahmen entstanden bei Blende f/2 mit der Leica M9. Auf den ersten Blick ist relativ deutlich zu sehen, dass nicht nur lokaler Kontrast und Schärfe verschieden sind, sondern auch die Farbwiedergabe. Das Summilux „popt“ die Farben sehr viel stärker als das Summicron. Die Schärfe ist beim Summilux minimal höher, der lokale Kontrast kann als ungefähr gleich angesehen werden.

Testaufnahme mit Leica M9 und Summilux-M 35 mm ASPH. FLE. bei Blende f/2

Testaufnahme mit Leica M9 und Summilux-M 35 mm ASPH. FLE. bei Blende f/2.

Testaufnahme mit Leica M9 und Summicron-M 35 mm ASPH. bei Blende f/2

Testaufnahme mit Leica M9 und Summicron-M 35 mm ASPH. bei Blende f/2.

Jetzt aber zum spannendsten Teil, dem Bokeh. Im Folgenden untereinander abgebildet das Bokeh der beiden Objektive (Bilder stellen Ausschnitte der oben abgebildeten Aufnahmen dar; beide Aufnahmen daher bei Blende f/2 fotografiert). Erstes Bild wieder mit Summilux, zweites Bild mit Summicron fotografiert.

Bildausschnitt zur Beurteilung des Bokeh. Leica M9 und Summilux-M 35 mm ASPH. FLE bei Blende f/2.

Bildausschnitt zur Beurteilung des Bokeh. Leica M9 und Summilux-M 35 mm ASPH. FLE bei Blende f/2.

Bildausschnitt zur Beurteilung des Bokeh. Leica M9 und Summicron-M 35 mm ASPH. bei Blende f/2.

Bildausschnitt zur Beurteilung des Bokeh. Leica M9 und Summicron-M 35 mm ASPH. bei Blende f/2.

Es ist alleine Geschmackssache, welches der beiden Bokehs ihr besser findet. Ohne jeden Zweifel ist das Bokeh des Summilux etwas weicher und sanfter. Das Summicron wirkt etwas unruhiger, im Bereich der Dachziegel schon fast etwas hektisch.

Die Testbilder stammen übrigens von Thomas Kaspar – danke nochmals dafür. Schaut bitte auch mal auf seiner Flickr-Seite vorbei!

Nun aber zu meiner Wahl. Ich fotografiere mit zwei Objektiven:

Warum nun genau diese Kombination? Als ich vor gut einem Jahr auf Leica umgestiegen bin, wusste ich, dass ich mir nicht mehr als 2 Objektive leisten konnte. Ich wusste, dass mir an meiner alten Kamera das 50 mm so viel Spaß gemacht hat, dass ich auf diese Brennweite unmöglich verzichten konnte. Die 35 mm gelten in der Leica-Szene als Standard, und reizten mich daher extrem (ohne zu wissen, auf was ich mich einlassen würde). Somit war die Entscheidung für die Brennweite(n) gefallen, musste nur noch die Lichtstärke gewählt werden. Ich recherchierte unglaublich viel, las Erfahrungsberichte und versuchte, mich in meine zukünftige Art der Fotografie hineinzuversetzen. Ich entschied mich dann für das Summilux-M 1:1.4/50 mm ASPH. und das Summicron-M 1:2/35 mm ASPH und verzichtete auf das Summilux-M 1:1.4/35 mm ASPH. FLE. Für das Summicron entschied am Ende der Preis und die etwas geringere Abhängigkeit von Streulicht.

Da ich damals relativ wenig Ahnung von der Leica-Qualität und den damit einhergehenden Ansprüchen hatte, akzeptierte ich mein Urteil. Heute bin ich sehr glücklich mit dem Summicron, aber hin und wieder ertappe ich mich natürlich schon beim „Nachdenken über das Summilux“. Und wenn ich mir den Bokeh-Vergleich von oben ansehe, muss ich sagen, wünschte ich mir (manchmal) das 35er Summilux an meiner Kamera; ich würde aber trotzdem das kleine, feine und kompakte 35er Summicron vermissen. Die Alternativen beim 50 mm kamen hingegen für mich nie in Frage; das Noctilux-M ist einfach zu teuer, optisch nicht ganz so gut wie das Summilux und in seiner Abbildung sehr speziell. Beim Summicon und Summarit hingegen gefielen mir das Bokeh nicht (da zu unruhig).

Wohin die Reise geht…

Als Ergänzung bzw. als Weiterentwicklung des Objektivparks gibt es für mich zwei Möglichkeiten: (1) Ergänzung im Weitwinkelbereich (21 mm), oder (2) Ersatz des 35er Summicron durch das Summilux. Ich quäle mich nun schon seit Monaten mit einer Entscheidung. Die Preiserhöhung bei Leica zum 1.1.2015 und die Möglichkeit, für kurze Zeit mit einem derzeit verfügbaren Leica-Gutschein das Objektiv noch etwas billiger zu bekommen (ein gefinkelter Marketing-Gag von Leica), haben das Kribbeln natürlich deutlich erhöht. Umso überraschender ist es wohl, dass ich mich für keine der beiden Alternativen entschieden habe. Ich werde zunächst weiter mit meinen beiden Objektiven fotografieren und alles so belassen wie es derzeit ist. Warum? Weil ich die zwei Objektive noch nicht an ihre Grenzen getrieben habe und weil ich sie noch nicht zur Genüge kenne. Ich bin der Meinung, dass man aus seinem Equipment das Maximum raus holen muss und sich nicht durch neue Teile ablenken lassen sollte. Also weiter mit 35 mm und 50 mm (Summicron und Summilux) – in der Einschränkung liegt die Kreativität! In einem Jahr werde ich wieder evaluieren und nachdenken… wir werden sehen!

Eisrose. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ f/1.4.

Eisrose. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ f/1.4.

Damit bin ich am Ende eines, zugegebenermaßen, etwas längeren Beitrags angekommen. Ich hoffe, ihr habt trotzdem bis zum Ende gelesen…

Meine wichtigsten Tipps zu Schluss:

  • Legt euch vor allem Festbrennweiten zu und verzichtet auf die „Ultimativen-Ultra-Reise-Zoom-Objektive“.
  • Studiert MTF-Kurven und technische Details nur am Rande und beschäftigt euch mit Beispielbildern, wenn ihr ein Objektiv wählt.
  • Geht raus und fotografiert und verbringt nicht Tage und Wochen, um euch durch Forenbeiträge und Testberichte zu wühlen!

Euer LiK

Nennung auf „Leica Camera News Daily“

Es ist natürlich schön zu sehen, dass viele Leute den Blog verfolgen und lesen. Am schönsten ist es aber, wenn man empfohlen wird oder Andere einen weiterempfehlen. Twitter scheint hier inzwischen eine gewichtige Rolle für meinen Blog zu spielen. Jetzt hat dies sogar dazu geführt, dass auf der Webseite „Leica Camera News Daily“ auf meinen Blog verwiesen wird. Freut mich natürlich sehr. Diese Seite scheint meine Tweets zu verfolgen und gegebenenfalls einen entsprechenden Link einzubauen.

leica-camera-newsAlso, bitte weiterempfehlen….

LiK

Sechs Monate mit der Leica M – Eine Liebeserklärung

Nachdem ich die Leica M nun 6 Monate mein Eigen nenne, wird es Zeit für einen kleinen Bericht (wie immer sehr subjektiv und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebend). Seit Anfang Oktober fotografiere ich nun „nur“ noch mit der M (liebevoll „Luigi“ genannt) und zwei Objektiven: dem Summicron 35 mm 2.0 ASPH und dem Summilux 50 mm 1.4 ASPH. Mit der Kamera habe ich inzwischen über 2.500 Bilder gemacht. Die (nach meiner Meinung) relativ geringe Anzahl an Auslösungen ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass durch die M eine deutliche „Entschleunigung“ der eigenen Fotografie stattfand und zum anderen eine relativ stressige berufliche Zeit hinter mir liegt. 2.500 Bilder sind aber ausreichend, um die Fähigkeiten der Kamera einschätzen und vergleichen zu können und die Veränderungen am eigenen Stil festzumachen.

Entschleuningung pur: Summicron 35 mm ASPH @ 1.4

Entschleunigung pur: Leica M und Summicron 35 mm ASPH @ 2.0

Beginnen wir mit den technischen Dingen. Viel habe ich ja bereits in meinem ersten Bericht vorweggenommen – die Leica M ist (und bleibt wohl auch) für mich die ideale Kamera. Klein, kompakt und mit einer unglaublichen Bildqualität gesegnet.  Die Bedienung war für mich im übrigen von Anfang an schlüssig und ich hatte kaum Schwierigkeiten bei der Umstellung – lediglich den Wiedergabeknopf (Play) suchte ich am Anfang mehrmals an falscher Stelle. Die Kompaktheit des Systems hat dazu geführt, dass ich die Kamera nun deutlich öfter dabei habe – Wochenendausflüge, Kurzreisen, Einladungen, … Das System der Leica M führt aber auch dazu, dass man nicht einfach mal schnell ein Bild macht – die Kamera zwingt einen, sich mit dem Sujet zu befassen. Die Fokussierung des Bildes erfolgt manuell und irgendwie führt dies zwangsläufig auch dazu, dass der Ausschnitt etwas bewusster gewählt wird. Die Bilder werden mit der M nicht besser, sondern nur ein wenig „bedachter“. Dafür gibt es keine direkte Erklärung (und einige werden mir vielleicht sogar widersprechen) – für mich funktioniert es aber (ich schaue wohl einfach länger durch den Sucher). Und natürlich gilt noch immer das oft zitierte Klischee, dass man mit dieser Kamera nicht auffällt und weitgehend unbeobachtet fotografieren kann. Zudem nehmen die Menschen diese „alt aussehende“ Kamera nicht ernst – „und, noch analog unterwegs“ habe ich nicht nur einmal gehört. Dies alles trägt dazu bei, sich etwas unsichtbarer bewegen zu können, was in der Street-Fotografie unglaublich wichtig ist.

Die M zwingt einen, sich mit dem Sujet zu befassen.

Positiv fiel mir auf, dass es mit der M wesentlich leichter fällt, die Kamera horizontal/vertikal auszurichten – die Begrenzung des Suchers (in Form von hellen farblich gekennzeichneten Linien) erlaubt die perfekte Ausrichtung am Horizont oder an entsprechend vorhandenen Linien. Des Weiteren verdunkeln ND-Filter nicht den Sucher (eine Tatsache, die völlig logisch ist, ich mir aber vorher nicht wirklich bewusst gemacht habe). Vor allem sehr starke ND-Filter machen es mit einer Spiegelreflexkamera ja fast unmöglich, eine entsprechende Bildkomposition vorzunehmen – anders bei der M. Vor dem Fokussieren hatte ich am Anfang (wie wohl jeder Umsteiger) am meisten Respekt. Umso überraschender war es, dass dieser Prozess erstaunlich leicht und einfach von der Hand geht. Statische Motive sind schnell scharf gestellt, bewegte Motive benötigen etwas Übung – wenngleich die M sicher nicht geeignet ist, um Sportevents zu fotografieren (bei einem Marathon Anfang April hatte ich mir die Hände wund fokussiert). Zu beachten ist natürlich auch, dass man bei Leica nun plötzlich Objektive in der Hand hat, die es einem erlauben, mit weit geöffneter Blende zu arbeiten – die Schärfentiefe oft nur wenige Millimeter oder Zentimeter. Ein Fehlfokussieren fällt also doppelt ins Gewicht. Ein guter Tipp: die Kamera auf eine fixe Distanz fokussieren und das Objekt in die Fokuseben eintreten lassen – schon Henri Cartier-Bresson hat auf diese Weise erstaunliche Bilder zustande bekommen.

Verschlusszeit, Blenden, Ausschnitt – Klick!

Neben den technischen Dingen interessiert natürlich, ob man seine „Sehgewohnheiten“ durch ein anderes/neues Kamerasystem ändert. Ich denke, dass es keinen Unterschied macht, ob man von Canon zu Nikon wechselt oder umgekehrt. Veränderung zeigt sich aber sehr wohl, wenn man von einer Spiegelreflexkamera plötzlich auf eine Messsucherkamera wechselt. Nach über 20 Jahren mit diversen (D)SLRs kann ich mit ruhigem Gewissen sagen, dass einen nichts „näher“ an das Sujet bringt als ein Messsucher. Man blickt durch kein Objektiv – der Sucher/Ausschnitt bleibt vom Objektiv unbeeinflusst. Für mich hat die Fotografie wieder sehr viel von seiner „Natürlichkeit“ zurückgewonnen. Hatte ich in den letzten Jahren immer mehr das Gefühl, mich vor allem mit der Technik rund um die Fotografie (bzw. die Kamera) zu beschäftigen, tritt nun wieder die eigentliche Fotografie in den Vordergrund. Verschlusszeit, Blenden, Ausschnitt – Klick!

Natürlich hat der Messsucher auch seine Nachteile – je größer die Brennweite, desto kleiner der Ausschnitt im Sucher. Da ich mich (derzeit) zwischen 35 mm und 50 mm bewege, ist dies kein wirklicher Nachteil – im Gegenteil. Als Brillenträger hatte ich bei meinen DSLRs immer das Problem, dass ich nicht das gesamte Sucherbild sah – bei der M ist das Sucherbild bei 50 mm deutlich größer als der auf den Sensor projizierte Teil. Selbst bei 35 mm kann man noch etwas „jenseits“ der entsprechenden Begrenzungslinien wahrnehmen.

Blumenfeld auf Korsika: Summicron 35 mm ASPH @ 1.4

Blumenfeld auf Korsika: Summicron 35 mm ASPH @ 2.0

Der Umstieg auf die Leica M brachte natürlich auch den Verzicht auf variable Brennweiten (Zoom) mit sich. Mit nur 2 Objektiven zu fotografieren kann schon als Hardcore bezeichnet werden – aber es funktioniert. Vielfach entscheide ich mich erst kurz vor einer Fotosession, ob ich nun mit dem 35er oder dem 50er losziehe. Die Einschränkung hat mir schon erstaunliche Blicke auf Dinge und Details offenbart, die mir mit einem Zoom-Objektiv wohl entgangen wären. Einschränkung ist doch immer noch am förderlichsten für die Kreativität. Bei den Objektiven habe ich mich von Anfang an in das Summilux 50 mm 1.4 ASPH verliebt – was für eine geniale Ansammlung feinster Optik- und Ingenieurskunst. Im Gegenzug hab ich lange mit dem Summicron 35 mm 2.0 ASPH gekämpft. Weniger das Objektiv als die Brennweite machten mir Probleme – kein richtiges Weitwinkel, keine Normalbrennweite. Schließlich zwang ich mich dazu, einen Tagesausflug nach Straßburg komplett mit dem 35er abzulichten – Klick! Yes! Und dann war es plötzlich da: das Verständnis für die 35 mm.

Straßburg @ 35 mm

Straßburg (Frankreich): Summicron 35 mm ASPH @ 8.0

Plötzlich verstand ich, warum so viele Leica-Fotografen nur mit dieser einen Brennweite fotografieren. Egal, ob Landschaft oder Portrait, man kann damit einfach alles machen (exemplarisch enthält dieser Beitrag nur Bilder, welche mit dem 35er gemacht wurden). Die kleinste Blende von 2.0 erlaubt das Freistellen, das Objektiv ist wesentlich weniger streulichtempfindlich als die 1.4er-Variante und zusätzlich so schön klein, dass es sich perfekt an die M fügt. Natürlich hat man Situationen, in denen man sich mehr Weitwinkel wünscht. Und so steht auf der Einkaufsliste sicher irgendwann das Leica Super-Elmar 21 mm 3.4 ASPH.

Mit nur 2 Objektiven zu fotografieren kann schon als Hardcore bezeichnet werden.

Die Bildqualität des gesamten Systems ist ausgezeichnet – da ein Vergleich mit anderen Systemen müßig ist und wenig bringt, möchte ich darauf verzichten. Die 24 MP Files erlauben die Wahl kleinerer Ausschnitte in der Nachbearbeitung, die Reserven in dunklen und hellen Bereichen können als ausreichend bezeichnet werden, um eine angemessene Aufbereitung zu machen. Hatte ich an meiner Canon EOS 1Ds III schon nichts zu beanstanden, gibt es auch an der Leica M nichts auszusetzen. Der Dynamikumfang ist im Vergleich zur 1Ds aber spürbar größer – dies macht sich vor allem beim Fotografieren mit viel Licht und Schatten bemerkbar. Pixel-Beeping überlasse ich an dieser Stelle aber anderen. Die Kamera liefert die erwarteten Ergebnisse.

Porto (Korsika)

Abendstimmung in Porto (Korsika): Summicron 35 mm ASPH @ 8.0

Noch ein paar technische Dinge im Schnelldurchlauf, die mir aufgefallen sind:

  • Die Belichtungsmessung scheint auch in schwierigen Situationen relativ robust zu sein, versagt aber bei großen (dunkel)grünen Bereichen im Bild. Wälder oder Bäume werden stark überbelichtet. Eine Erklärung lässt sich leicht finden: Grün wird vom Sensor als dunkles Grau wahrgenommen und wird daher in der Belichtung angehoben. Einen ähnlichen Effekt kenne ich von der Canon EOS 5D. Hier wird wohl mit einer späteren Firmware von Leica nachgebessert werden.
  • LiveView und Video habe ich so gut wie nie in Verwendung. Vielleicht finde ich später noch Situationen, wo diese Features zum Einsatz kommen.
  • Irgendwie schaffe ich es relativ oft, mit den Fingern auf die Vorderseite des Messsuchers zu greifen. Stört nicht wirklich, aber es bedarf dann doch ab und an einer kleinen Reinigung. Ich muss wohl meine Fingerhaltung noch etwas optimieren.
  • Absolut positiv überrascht bin ich von der Laufzeit des Akkus – irgendwie habe ich das Gefühl, ich lade das Ding praktisch nie auf. Großes Kompliment an das Energiemanagement der Kamera.

Wo stehe ich also nach 6 Monaten? Ich habe das Gefühl, angekommen zu sein – endlich eine Kamera in den Händen halten zu können, die mir technisch und emotional zusagt. Für einige mag dies zu „esoterisch“ klingen, aber anders kann ich es nicht umschreiben. Für mich war der Bezug zur Kamera schon immer sehr emotional geprägt. Ich besitze Kameras viele Jahre und bin kein schneller Systemwechsler (die Historie lässt sich hier nachlesen). Auch dem Wechsel zur Leica M ist ein fast einjähriger Entscheidungsprozess vorangegangen.

Auftanken: Summicron 35 mm ASPH @ 4.0

Auftanken: Summicron 35 mm ASPH @ 4.0

Mit Sicherheit sind die aktuellen DSLRs (z. B. Nikon D800, Canon 5D III) wesentlich flexibler und universeller einsetzbar. Mit Sicherheit produziert man mit diesen Kameras in der gleichen Zeit sehr viel mehr Bilder als mit einer Leica M. Aber mit Sicherheit ist keine der aktuellen DSLRs eine so individuelle Kamera, mit der sich die Fotografie so genießen lässt – das Fokussieren, das Wählen des Ausschnittes, das Betätigen des Auslösers und schließlich das Betrachten des Bildes.

Eine M kauft man nicht, für eine M entscheidet man sich – für ein ganzes Leben.

Für mich ist die Fotografie mit der M wieder zu einem sehr emotionalen Vorgang geworden. Gleichzeitig ist die Leica M jeden Tag eine strenge Erzieherin, die das exakte Arbeiten voraussetzt – wo moderne DSLRs das Unvermögen des Fotografen kaschieren, zeigt es die Leica M mit aller Direktheit und Härte auf. Es stimmt wohl, was man unter Leica-Fotografen sagt: eine M kauft man nicht, für eine M entscheidet man sich – für ein ganzes Leben.

LiK