Photokina 2014! Oder wie ich lernte die Stille zu genießen.

Nun also Photokina… warum auch nicht?! Für mich war es das erste Mal auf der weltgrößten Messe rund um das Thema Fotografie. Um das Event (und so muss man es wohl ohne Zweifel nennen) richtig genießen zu können, haben wir dort gleich zwei Tage verbracht – Samstag und Sonntag. Vorteil dieser Aktion war ganz klar, dass man nicht wie verrückt durch die Gänge hechten musste, um sein Programm abzuarbeiten. Nachteil war, dass man am zweiten Tag seine Füße nicht mehr spürte, weil man eben zwei Tage durch die Gänge hechtete. Der pure Widerspruch also!

Die Messe fand in Köln statt – wie jedes mal (alle 2 Jahre). Das dortige Messgelände ist recht übersichtlich, gut aufgeteilt und stadtnahe, sodass man am Abend auch die eine oder andere Kneipe besuchen kann.

Also los! Anreise per Bahn… 6:50 Uhr Abfahrt von Freiburg, 10:30 Uhr Ankunft in Köln. Vom Bahnhof ins Hotel, dann zur Messe, der Wahnsinn beginnt. Erstes Ziel: Leica. Eh klar! Auf dem Weg dorthin schon viele Stände kurz besucht, die Menschenmassen scheinen noch beim Frühstück zu sitzen – angenehm entspannt. Kurz den Canon-Stand und das dortige Publikum „besichtigt“ – oh, die Canon-Damen trage alle rote Perücken. Hübsch? Doch eher peinlich! Zusätzlich gibt es eine Hochdruckluftmaschine, welche die Haare der Besucher flattern lässt und sie dabei fotografiert. Lustig? Naja…

Lange Röhren am Canon-Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 2.0

Lange Röhren am Canon-Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 2.0

Weiter… wo ist der Leica-Stand? Die Besucher werden mehr. Vorbei am Nikon Stand. Alles so hell, weiß, keine canon-roten Perücken, aber nikon-gelbe T-Shirts und Taschen. Sehr gut aufgeteilter Stand, übersichtlich, …sieht gut aus. Trotzdem soll es hier noch peinlich werden. Morgen!

Weiter… vorbei an Fuji, Cewe, Panasonic, … später. Jetzt will ich den roten Punkt. Erstmals Menschenmassen. Dann endlich angekommen. Halle 1. Leica. Wow… ein riesiger Stand! Hätte ich Leica nicht zugetraut. Sehr weitläufig und vor allem keine nervige Animations-Beschallung. Ruhe! Volle Konzentration auf das Bild. Im vorderen Bereich werden die Produkte unaufdringlich präsentiert: M, S, X, C, … Im hinteren Bereich sind Fotoausstellungen in einzelnen Raumsegmenten präsentiert – bei leicht abgedunkeltem Licht. Hier herrscht Ruhe, Besucher flüstern. Trotzdem wollen wir diesen Bereich erst später ausgiebig besuchen, uns als Rückzugsort und als Refugium der Ruhe in der Hinterhand behalten. Also probieren wir ein paar Leica-Produkte aus. Nehme mir das Super-Elmar-M 21er Objektiv vor und bin erstaunt, dass ich damit einfach so vom Stand weggehen kann und das Ding testen darf. Hier herrscht wohl das blinde Vertrauen. Dann natürlich die M (Edition 60) – eine Digitalkamera ohne Display… sieht gut aus. Sportoptiken und Taschen sehen wir uns auch noch an und ich frage beim Service nach, ob es denn eine Garantieverlängerung für die M geben wird (von 24 auf 36 Monate). Zum Jahresende komme da vielleicht was – ich solle einfach mal warten und mich freuen. Also freue ich mich erst mal! Über was und warum weiß ich nicht!

Der Leica Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 5.6.

Der Leica Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 5.6.

Wieder hinaus in die Bumbum-Zone. Wir sehen uns Panasonic an. Schick, aber sehr eng. Kompaktkameras sollte man nicht zu eng präsentieren – Unwohlzone! Der Versuch, etwas in die Hände zu bekommen scheitert. Aussichtslos.

Hunger! Erst mal essen! 15 € für einen Salat! Ok… wir sind ja auf der Photokina.

Dann geht es ins Untergeschoss. Haben oben noch großflächige Stände dominiert, scheint unten eher die „Ghetto-Zone“ zu sein. Wir traben durch die Menge, lassen uns gleiten. Dann stoßen wir auf einen Stand, der auch auf meiner Liste war: Oberwerth. Ein junges Unternehmen, welches Taschen fertigt. Nichts Ungewöhnliches also, wenn da nicht ein ziemlich eigensinniges Konzept dahinter wäre, das gefällt. Alle Teile kommen aus Deutschland (nur das Leder aus Italien), alles wird in Deutschland gefertigt! Das muss teuer sein! Ja, ist es auch… um die 400 bis 700.-€ muss man für die Taschen zahlen, die „Freiburg“ und „München“ heißen. Die Qualität überzeugt und wir konnten lange mit dem Firmenchef Herrn Immes sprechen. Wir brachten Verbesserungsvorschläge vor, probierten die Taschen aus, diskutierten und philosophierten. Sicher die schönsten 30 Minuten auf der Photokina. Ich versprach, dass ich mir nach meiner Billingham eine Oberwerth kaufen würde! Dann die Überraschung: die bauen auch Stative aus Holz. Wunderbar verarbeitet. Auch teuer, aber wunderschön.

Es geht wieder nach oben… zu Zeiss. Das neue Distagon T* 1,4/35 ZM wurde vor wenigen Tagen vorgestellt und ich wollte es an meiner M ausprobieren. Ein etwas seltsamer „Zeiss-Mann“ hinter dem Tresen reichte mir das Objektiv, nahm aber mein 35er gleich in Beschlag. Das Objektiv ist schön verarbeitet, aber viel zu groß. Fast schon klobig und nicht wirklich stimmig zur kleinen feinen M. Wo haben die Zeiss-Ingenieure da nur hingedacht – ach ja sorry, dass Objektiv wird ja von Cosina gebaut und nachher nur mit Zeiss beschriftet. Leider! Die Bildqualität dürfte aber stimmen. Die Art, wie man am Stand behandelt wird, gefällt aber nicht. Ergattern noch eine Zeiss-Stofftasche. Wenigstens etwas…

Als nächstes besuchen wir den kleinen Stand von Impossible. Ach schau an, ein alter Mann sitzt in der Ecke und repariert alte Polaroid-Kameras. Wie schön! Diskutieren lange über die Vorzüge der neuen Impossible-Instand-Filme mit einem Standbetreuer. Schräger Typ, aber total sympathisch. Er gibt uns Tipps, und wir wollen gar nicht mehr weg. Haben uns verliebt! Nicht in den Typen, sondern in die Art. Er schenkt uns noch zwei Filme und Buntstifte. Wir schmelzen dahin!

Reaktivierung alter Polaroid-Kameras. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 2.5.

Reaktivierung alter Polaroid-Kameras. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 2.5.

Müde… Rückzug in die Wohlfühlzone. Zurück zu den vielen Bildern am Leica-Stand. Wir schlendern durch die Ausstellungen. Wunderbare Bilder von Hoepker, Adams, Burri, Niedringhaus, Corbijn, u.v.a.m. Beeindruckend! Die Stille, das Licht, die Bilder – kein Bumbum! Entspannung! Es ist 17:00 Uhr und es reicht für den ersten Tag… Rückzug! Kraft und Energie tanken.

Konzentration auf Bilder am Leica Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 4.0.

Konzentration auf Bilder am Leica Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 4.0.

Zweiter Tag. Ausgeruht und voll motiviert. Gleich zu Nikon. Der Stand ist immer noch schick, aber heute steht ein junger Mann auf der Bühne (Profifotograf mit asiatischen Wurzeln und offensichtlich Amerikaner, „Ray Demski“ sein Name) der seine Bilder, aber vor allem sich selbst anpreist. Er brauche mit Nikon-Equipment nur 5 Sekunden für ein Spitzenbild. Was für ein Idiot! Peinlicher waren wohl nur die Perücken bei Canon. Egal… weiter! Kurz die D750 und die D810 angefasst. Schön groß die Teile. Da kommen Erinnerungen an meine DSLR auf. Blicke kurz auf meine kleine M, sie zwinkert zurück. Schön! Fühle mich irgendwie fehl am Platz zwischen all den autofokusgesteuerten Riesenapparaten.

Ruhe am Nikon-Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 5.6.

Ruhe am Nikon-Stand. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 5.6.

Weiter zu Lytro. Die neue Illum wollte ich mir unbedingt ansehen. Bekomme aber keine Aufmerksamkeit von den Standbetreuern. Schreckt sie etwa meine Leica ab? Dann ergattere ich einen Sitzplatz am Tisch und will die verfügbare „Lytro-Dame“ fragen, ob ich die Kamera einfach mal in den Händen halten dürfe. „Nöööö, dürfe ich nicht! Dafür müsse sie mir erst das Konzept erklären“. Lasse sie reden und machen… nichts Neues kommt aus ihrem Mund. Werbesprüche! Das gedruckte Bild solle ich mal ganz schnell wieder vergessen, das sei von gestern! Wer liest denn heute noch Zeitschriften. Auffällig, dass sie einen gelben Bindi trägt (dieser Punkt zwischen den Augen, den indische Menschen tragen) – von Spiritualität und Bewusstsein für die wesentlichen Dinge im Leben ist hier wohl nicht mehr viel übrig. Egal. Endlich darf ich die Kamera anfassen. Oha, fühlt sich nach Plastik an. Sehr leicht, aber nicht wertig. Schade! Aber egal, bin eh fürs gedruckte Bild. Rückzug!

Bindi hin oder her, Lichtfeld vor oder zurück! Wir haben Hunger! Essen! Wieder Salat, wieder 15.-€. Never change a running system!

Weiter zu Whitewall. Ach schau an, die drucken Bilder aus und hängen sie an die Wand. Sollte ich der Lytro-Dame mal erzählen. Schöne Produkte, aber schrecklicher Stand. Zu wenig Platz für diese großen Bilder. Trotzdem bleiben wir eine ganze Weile dort.

Dann noch Samsung – wow, tote Hose! Was ist hier los? Ein beeindruckend großer Stand, aber keine Menschen. Seltsame Atmosphäre. Begrapschen kurz ein paar Kompaktkameras und dann schnell weiter.

Fuji – huchhhhh, endlich Bilder. Eine ganze Reihe schöner Naturaufnahmen flankieren den Stand. In der Mitte ein silberner BMW mit obligatorisch räkelnder Blondine (oder war sie brünett?). Muss das sein? Definitiv ist der Fuji-Stand einer der bestbesuchtesten Orte der Photokina. Unglaubliche Menschenmassen. Nahkampftechnik ist angesagt. Viele Hipster, die auf Retro machen! Schlechtes Standkonzept. Alles zu eng, zu wenige Kameras, zu wenige Betreuer. Oder ist dies das Konzept, um den Andrang größer erscheinen zu lassen?

Andrang am Fuji-Stand. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ 1.4

Andrang am Fuji-Stand. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ 1.4

Lieblingssport auf der Photokina: Sich gegenseitig fotografieren. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ 1.4.

Lieblingssport auf der Photokina: Sich gegenseitig fotografieren. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ 1.4.

Die "Fotodamen" von Fuji. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ 1.4.

Die „Fotodamen“ von Fuji. Fotografiert mit Leica M und Summilux-M 50 mm @ 1.4.

Lust auf mehr Bilder. Die Ausstellung von National Geographics ist wunderbar! Schöne Bilder. Platz, um sich zu bewegen, das Ambiente vielleicht eine Spur zu hell.

Besuchen noch Thinktank, Lowepro, Cewe, B&W, Pentax, Gitzo, Monochrome, Hasselblad, Sigma, u.v.a.m. Nichts Erwähnenswertes!

Das Riesenrohr von Sigma. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 2.5.

Das Riesenrohr von Sigma. Fotografiert mit Leica M und Summicron-M 35 mm @ 2.5.

Die Füße schmerzen. Es ist wohl Zeit, dem Wahnsinn zu entrinnen. Game Over!

Was bleibt? Definitiv ist die Photokina eine Reise wert. Man muss sie gesehen und erlebt haben. Definitiv ist es hektisch und definitiv muss man sich ein gutes Konzept für seinen Besuch erstellen. Wir haben uns auf wenige Stände konzentriert, trotzdem kann man nicht umher, auch Dinge anzusehen, die man eigentlich nicht sehen will oder muss. Man muss sich wohl noch mehr auf die Bilder konzentrieren und die wunderbaren Ausstellungen besuchen. Produkte kann man sich viel besser im Laden um die Ecke ansehen. Was eine solche Messe aber ausmachen sind die persönlichen Gespräche und das Erleben der Begeisterung abseits der großen Stände. Ob wir in 2 Jahren wieder nach Köln fahren? Wir werden sehen… aber dann bitte weniger Bumbum!

LiK

5 Gedanken zu „Photokina 2014! Oder wie ich lernte die Stille zu genießen.

  1. Rob

    Schön, nun warst du auch einmal dort.
    Ob ich mich so fühle als ob ich dort gewesen wäre, nach dem lesen deines Berichts?
    Äh, nein. Sitze gemütlich bei einer Coke und stelle mir den Trubel nur vor.
    Das kommt niemals an die Wriklichkeit ran. Gott sei Dank!
    Die Holzstative von Silvec habe ich mir gleich angesehen.
    Und ich muß sagen sie gefallen mir sehr gut.
    Allerdings sollten sie die homepage mit Detailzeichnungen der Stative ergänzen.
    So kann man auf einen Blick die Maße bzw. Bauart und Ausstattungsmerkmale sehen.
    Und einige Maße sind sehr wichtig, z.B. Höhe mit/ohne Mittelsäule.
    Und so teuer sind sie gar nicht.

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    1. lichtknoten Artikelautor

      Ja die Webseiten von Oberwerth und Silvec sind noch im Aufbau. Wir haben diesbezüglich bereits Kritik geäußert. Der finale Webauftritt wird wohl noch dauern soll aber dann mit mehr und größeren Bildern erfolgen.

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  2. BAG

    Bum – der Takt – Bum – unserer – Bum – Zeit … Da habe ich wenig Hoffnung, dass sich dies in zwei Jahren ändert. Danke für die interessanten Eindrücke, mit dem Kopf memoriert, mit der Kamera fotografiert …

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  3. Pingback: Die Suche nach dem Wesentlichen… | Alexander Reiterer | Fotografie | Blog

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